Konstant bleibt konstant
Geschrieben von Elmar aus Bielefeld am 14. Februar 2003 15:51:36:
Als Antwort auf: Konstanzes bitteres Ende geschrieben von Werner am 13. Februar 2003 21:38:27:
Hallo Werner,
>>[nebenbei, 'absolut' konstant heißt für mich unabhängig von beidem, ist also nicht das was Huygens gesagt hat]
>bin Deiner Meinung. Relativitätsprinzip. Absolut ist, was nicht relativ ist.Ganz genau.
Präziser Sprachgebrauch ist nun mal wichtig. Wenn's daran mangelt, muss das als allererstes geklärt werden, sonst redet man nur aneinander vorbei. In Endeffekt kommt eine Diskussion besser voran, wenn man sich an Anfang (oder bei Bedarf auch zwischendurch) genügend Zeit für sowas nimmt. Auch wenn manche Leute das penetrant finden, da kenne ich keine Kompromisse, man dreht sich sonst nur im Kreis. Und ich fasse mir auch bei Bedarf an die eigene Nase.>>Hattest du meine Antwort im Friebe-Thread nun gelesen?
>Habe ich, mit Verspätung. Ist in dem unübersichtlichen Listing etwas untergegangen.Kann passieren. Du hattest halt gesagt "Ich hatte ja eigentlich Elmar angeschrieben, weil ich mir von ihm am ehesten eine Antwort erwartete" (Zusatzpunkt in der B-Note für gute Umgangsformen! ;-) Sollte man ja auch mal erwähnen bei dem Geschimpfe das man hier sonst so liest...) und da hatte ich bereits geantwortet. Also wollte ich eben ganz sicher sein dass du sie auch gelesen hast!
>Wenn es zu dem eminent grundlegenden Postulat der Konstanz der L. kein auch nur annähernd so berühmtes Experiment wie MM gibt, ja dass man es mit der Laterne suchen muss, ohne es zu finden, dann wird es wohl erlaubt sein, an dem Postulat zu zweifeln.
Das halte ich für äußerst voreilig.
Ich empfehle zu dem Thema mal diesen Text von Wilfried Kuhn, und da speziell den Abschnitt über das "Experimentum crucis". (Der Inhaber der Domain wo das steht ist hier im Forum wohlbekannt.)
Da wird klar gemacht, dass man eine einzelne weitreichende These fast nie mit einem einzigen Experiment überprüfen kann. Von daher ist es schon ganz erstaunlich, dass es sowas wie die Entscheidung einer interessanten Frage durch das Michelson-Morley-Experiment überhaupt gibt.Nach meiner Meinung ist dieses Experiment auch genau aus diesem Grund so bekannt: nicht weil es alles Entscheidende an der Relativitätstheorie insgesamt beweisen könnte oder wollte (was ihm Physiker wie Kritiker öfters fälschlicherweise andichten), sondern weil es ganz für sich genommen bereits eine klare Antwort zu einer einzelnen wichtigen Frage für die Relativitätstheorie gibt (und das schon etwa zeitgleich mit deren Formulierung).
Sowas kann man dann nämlich auf einer halben Seite in einer populärwissenschaftlichen Zeitschrift oder einem Schullehrbuch oder in fünf Minuten im Fernsehen erklären. Darum kennt's auch (fast) jeder. Leider geht's bei den meisten Sachen nicht so einfach, es wird aber trotzdem versucht; und dadurch wird die Erklärung zwangsläufig auch dann falsch, wenn die zu erklärende Aussage noch so richtig ist.>Ich will mich gerne um die Gammastrahlung kümmern, aber ich kann mir nicht denken, dass Einstein so einen kleinen Beschleuniger bei sich hatte (war nicht bös gemeint).
Ist schon klar. Es ist aber nunmal fast immer so, dass wirklich eindeutige Einzelexperimente erst gelingen lange nachdem die ursprüngliche These in einem (oft langwierigen und schwer durchschaubaren) Puzzleverfahren als richtig akzeptiert wurde. Nach Abschluss des ganz allmälichen Erhärtens der Hypothese weiß man oft erst, wie man so ein Experiment überhaupt aufziehen muss.
(Wer kennt sowas nicht, dass man nach mühsamem Erreichen eines Ziels die Hände überm Kopf zusammenschlägt und ausruft: Das hätte ich ja viel einfacher haben können, wenn ich das geahnt hätte!)Solche klaren Ergebnisse werden aber von Kritikern oft zurückgewiesen mit dem Argument dass die Experimente gerade so eingerichtet worden wären, dass nur das herauskommen könnte was man beweisen wolle und sowieso schon geglaubt habe.
So eine Kritik ist ungefär so schwer zu wiederlegen wie beispielsweise die Behauptung, man hätte Diebesgut im Wald versteckt.Aber wenn man denn sowas als Beweis ablehnt (was ich dir NICHT unterstelle), dann muss man sich durch das ganze Puzzle der Erkenntnisgewinnung durcharbeiten; was durchaus hochinteressant sein kann. Man sollte dabei bedenken, dass die meisten etablierten Naturwissenschaftler aber keine Experten dafür sind, weil die wenigsten auch die Geschichte ihrer Fachdisziplin studiert haben (und dann auch schon mal auf die allzu vereinfachten Darstellungen in manchen Lehrbüchern hereinfallen, die ja auch meist von Wissenschaftlern und nicht von Wissenschaftshistorikern geschrieben sind).
>Noch was Anderes: Aufschlussreicher als wissenschaftskritische Veröffentlichungen ist der Eiertanz, der in Lehrbüchern der etablierten Physik veranstaltet wird.
[Noch mal kurz was zum Diskussionsstil (ich bin da halt penetrant):
Begriffe wie 'Eiertanz' im Zusammenhang mit schwierigen Theorien fallen nach meiner Erfahrung meist dann, wenn 'Lehrer' und 'Schüler' (kann auch 'Etablierter' und 'Kritiker' sein oder Ähnliches) sich gegenseitig die Schuld an dem Umstand geben wollen dass es schwierig ist. Sowas führt in der Regel zu gar nichts. Wenn solche Worte auftauchen, ist das für mich Alarmstufe Eins dass die Diskussion umzukippen droht. Mit etwas Mühe kann mann's aber meist wieder hinbiegen. Schwieriger wird's, wenn einer der Beteiligten von vornherein glaubt, dass es für Alles (oder wenigstens für das diskutierte Thema) eine einfache Erklärung geben MUSS. Ende des Einschubs]>In Gerthsen: Physik (Standardwerk!) fand ich zunächst nichts zum Thema Konstanz der L., dann das MM-Experiment mit der - sehr redlichen - Folgerung der RELATIVEN Konstanz.
Der 'Gerthsen' ist eben ein gutes Physiklehrbuch.
>Schließlich, nach langem Blättern, etwas verschämt in anderem Zusammenhang folgenden Satz (Zitat):"Das ... Prinzip von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit erscheint etwas einleuchtender, wenn man schlechthin die Lichtgeschwindigkeit als die größte Geschwindigkeit AKZEPTIERT, mit der sich ... Wirkungen ausbreiten können. Dann erscheint es PLAUSIBEL, dass diese Geschwindigkeit eine Naturkonstante und in allen Systemen gleich ist."
Der 'Gerthsen' ist halt nicht so gut in Erkenntnistheorie (den Anspruch hat er auch nicht). Wär schön wenn er das auch noch wäre, aber man ist halt bescheiden.
Wenn ein Experte in Erkenntnistheorie sowas schreiben würde wie '... einleuchtender, wenn man schlechthin A als B akzeptiert ...' wär das in der Tat was Anderes.
>[...] Kein Experiment, kein Versuch einer Begründung [...] nichts Falsches präsentieren [...] wird verwischt [...] wird unter der Hand [...] Wer feine Ohren hat, hört aber richtig:
So, jetzt kommt's:
>Es gibt keinen Beweis für die absolute Konstanz - sie ist Glaubenssache.
Das stimmt nun nicht. Nach dem was ich oben sagte, müsste es nach meiner Meinung jetzt heißen:
"Wegen einer übers Ziel hinausgeschossenen Vereinfachung der Darstellung ist es misslungen, überhaupt einen korrekten Beweis für die absolute Konstanz der Lichtgeschwindigkeit zu bringen."
Wie bereits gesagt, ein Erklärungsversuch der der Kompliziertheit eines Sachverhaltes nicht genug Rechnung trägt wird allein dadurch schon falsch, unabhängig von der Richtigkeit des Sachverhaltes selbst.
Um solche Schwierigkeiten zu vermeiden, müsste man im Grunde als Zugangsvoraussetzung für ein Physikstudium erst mal ein abgeschlossenes Studium in Physikgeschichte und Wissenschaftsphilosophie fordern. Es gibt sicher auch gute Gründe, dass man darauf verzichtet.
-------------------------------
Zu deiner ursprünglichen Frage nach einem experimentellen Nachweis der Unabhängigkeit der Lichtgeschwindigkeit von der Quelle bleib ich erstmal bei meinem Gammastrahlen-Vorschlag.
(Um diesen Aspekt der 'absoluten Konstanz' ging's ja; man kann den Katalog ja auch noch um Dinge ergänzen wie:
'(Un)abhängigkeit vom Alter des Universums?'
'(Un)abhängigkeit von der Energiedichte des Vakuums?'
usw., die heute im Gegensatz zu Einstein auch alle noch dazukommen).Was die Frage nach Experimenten im Rahmen der historischen Entwicklung von der einfachen Hypothese zur 'Lehrmeinung' angeht, muss ich vorläufig als nicht-Wissenschaftshistoriker passen. Fänd ich aber auch interessant zu wissen.
Und bitte bedenken: Es kann durchaus sein, dass es da überhaupt nicht ein einzelnes herausragendes Experiment gibt. Ich halte es für möglich, ja geradezu normal, dass die ersten Experimente noch nicht sehr eindeutig und auch nur in der Kombination mehrerer prinzipiell aufschlussreich waren, wärend die späteren relativ unbekannt sind weil, sie nichts Unerwartetes mehr erbrachten sondern das bereits Akzeptierte bestätigten.
Eine Besonderheit des Michelson-Morley-Experimentes ist es ja auch, dass die Forscher genau von dem Gegenteil dessen ausgegangen waren, was sie schließlich fanden.
Gruß, Elmar
- Re: Konstant bleibt konstant Werner 15.2.2003 11:57 (1)
- Re: Konstant bleibt konstant Elmar aus Bielefeld 17.2.2003 18:23 (0)