Günter in der Schleuderrinne


[ Zauberspiegel Wissenschaft Ideenfabrik ]


Geschrieben von Gabi am 23. September 2002 07:33:36:

Als Antwort auf: Fragen zum Swing-By Effekt geschrieben von Gabi am 19. September 2002 12:54:44:


Aus einem anderen Forum
http://www.f25.parsimony.net/forum63629/messages/2841.htm
von

Günter Dantrimont - 23. September 2002 02:22:03:
Antwort auf: Re: Swing-By Effekt von Rolf james - 22. September 2002 11:54:29:


>Der Stupid und der Günter wären gut hier zu haben, der saufmizam ist eher
>geeignet Nomen est Omen zu betreiben
>Der Stupid und der Günter wären gut hier zu haben, der saufmizam ist eher geeignet Nomen est Omen zu betreiben


Hallo,

also gut, ich werds zwar bereuen, da ich mich gewiß über unpassende Antworten
aufregen muß, aber nach so einer Einladung versuche ich halt mal mein Glück.

Wie also funktioniert Swing-By?

Im Grunde ist die Physik ganz simpel - nur die Navigation ist höllisch kompliziert,
weil man sehr exakt steuern muß, damits kein Unglück gibt.

In einem anderen Forum hat einer die Metapher von den Billard-Kugeln gebracht,
die ist schonmal garnicht so verkehrt.

Im Prinzip ists nämlich so ähnlich, wie wenn ich eine Billard-Kugel gegen eine
sich schräg nähernde zweite Billard-Kugel schieße. Dann KANNS durchaus
passieren, daß meine erste Kugel mit größerer Geschwindigkeit weggeschossen
wird, als ich sie auf die entgegenkommende Kugel draufgeschossen habe.

Wobei natürlich die entgegenkommende Kugel abgebremst wird und ihre eigene
Energie verliert.

Der Unterschied zum echten Swing-By beim Planeten ist lediglich der, daß der
Satellit ja nicht auf dem Planeten aufprallen darf um dann weggeschubst zu
werden, sondern daß er quasi hinten rumgeschleudert wird.

Energetisch kommt das Herumschleudern aber einem elastischen Abprallen
von der Oberfläche ziemlich nahe! Jedenfalls wenn man geschickt steuert.
Natürlich nur im groben ganzen gesehen, also im Sinne von Flugbahn vorher
und Flugbahn nachher, nach dem wieder Verlassen des Planeten.


Anders formuliert:

Aus der Sicht des Planeten, sagen wir mal Jupiter, ist Swing-By im Grunde
nichts weiter energierelevantes: Die Sonde wird zunächst aufgrund der
Planetengravitation angezogen, somit beschleunigt, dann hinterm Planeten
umgelenkt - und jetzt kommts - beim Wegflug vom Planeten durch dessen
unverändert wirkende Gravitation in demselben Maße wieder
abgebremst, wie er vorher beschleunigt worden ist.

Aus Sicht des Jupiter gewinnt somit die Sonde beim Swing-By überhaupt
nichts. Kein Bißchen Energie. Und schon garnicht vom Gravitationsfeld
des Jupiter!

Nur weil der Jupiter ja nicht das relevante System ist, sondern sich mit
einer Eigengeschwindigkeit zum eigentlich relevanten System bewegt,
bringt das überhaupt was.

Der einzige Gag bei der Sache ist nämlich der, daß es sich eben nicht
um ein Zweikörper-Problem handelt, sondern um ein Dreikörper-Problem
mit der Sonne als dritten Körper. Erst relativ zur Sonne als Koordinaten-
system gewinnt die Sonder überhaupt was - aber das ist ja genau das,
was man will, denn letztlich fliegt sie halt makroskopisch gesehen im
Sonnensystem und nicht im Mondsystem des Planeten.

Man will ja beispielsweise zum Pluto fliegen oder meinetwegen auch
zum Saturn.

Am deutlichsten wird der Effekt, wenn die Sonde mit gerade knapp soviel
Energie von der Erde aus auf die Bahn des Planeten geschossen wird,
daß sie dort möglichst fast stillstehend knapp neben der Bahn auf den
Planeten 'wartet', so daß dieser volle Suppe mit seiner Eigengeschwindigkeit
(nennen wir sie v0) knapp neben der wartenden Sonde vorbeifliegt.

Wie sieht das ganze nun von dem Planeten gesehen aus ?

Logischerweise fliegt die Sonde umgekehrt - relativ und scheinbar -
mit eben dieser Geschwindigkeit v0 schräg auf den Planeten zu.
Jedenfalls vom Planeten und dessen Koordinatensystem aus gesehen.

Bei der Annäherung an den Planeten wird sie sogar noch zusätzlich
beschleunigt, aber wie gesagt, geht das später genauso wieder verloren,
ist also nicht die eigentliche Energiequelle!

Die Gravitation hat mit der Energiebilanz letztlich überhautp nix zu tun,
sondern dient ausschließlich zum Wechsel der Bahnrichtung der Sonde!

Schafft man das Swing-By-Manöver nun so, daß die Sonde möglichst
nahezu um 180 Grad um den Planeten herumgeschleudert wird, also
nach der halben Umrundung nun IN PLANETENFLUGRICHTUNG von
diesem wieder weg fliegt, so wird sie nach der Abbremsung durch
die ja unverändert wirkende Gravitationskraft letztlich auch dabei wieder
ihre ursprüngliche Geschwindigkeit v0 erreichen.

Nur zwischenzeitlich war sie kurz mal schneller - ist aber nicht von Belang.

Der Gag ist aber, daß dies ja nur vom Planeten aus gesehen ist. Und
weil sie nun aber in Flugrichtung vom Planeten wegfliegt, ADDIERT
sich dieses v0 nun zu dem v0 mit dem der Planet selbst um die
Sonne fliegt, so daß die Sonde vom Sonnensystem aus gesehen
nun plötzlich mit doppelter Geschwindigkeit, also mit 2*v0 tangential
aus der Bahnkurve des Planeten ausschert.

Der Planet 'schubst' gleichsam die fast stillstehende Sonde an, etwa
so, wie wenn ein fahrender Bagger mit seiner flachen Schaufel auf
einen still stehenden Fußball drauf prallt. Dann fliegt der Ball auch
mit fast exakt der doppelten Geschwindigkeit des Baggers nach
vorne weg. Ganz ohne Gravitationskräfte!

Die Sonde ist halt nicht stabil genug, um sich buchstäblich anschubsen
zu lassen, darum wählt man die etwas sanftere 'Hintenrumwirbelmethode'
für die die Gravitation dann halt wirklich nötig ist.

Hätte der Jupiter aber ne Art Schleuderrinne, so ne Art gebogene
Dachrinne um sich herum und wäre die Sonde ne Kugel, würde es
ebenfalls ganz ohne Gravitation funktionieren.

Der Planet büßt dabei dieselbe Energiemenge auf seiner eigenen Bahn
ein, die er der Sonde mitgibt - was aber angesichts der enormen Masse
von Planeten keine Rolle spielt.

Die eventuelle Eigenrotation des Planeten spielt für den Swing-By
übrigens überhaupt keine Rolle!


Da aus der Sicht des Planeten ja keinerlei Energie auf die Sonde
übertragen wird - diese fliegt ja mit derselben Geschwindigkeit relativ
vom Planeten weg, wie sie vorher relativ auf den Planeten zu flog,
ist dieser Effekt natürlich absolut unbrauchbar für stationär auf der
Erde stehende 'Würth'-Maschine oder dergleichen.


Immerhin kann man im Prinzip mit einer Sonde auch mehrmals
Swing-By-Manöver mit denselben Planeten mehrmals hintereinander
durchführen, was ja erst vor wenigen Jahren auch so zwischen
Erde und Venus gemacht wurde.

Das wars dann auch schon.

Im Prinzip ist der Swing-By nicht geheimnisvoller, als der Grund,
warum man Raumsonden immer auf der Erde in östliche Richtung
in eine Umlaufbahn einschießt und nicht in westliche Richtung:

Man nutzt schlicht und ergreifend die Eigenrotation der Erde aus.
Anders rum ginge es natürlich auch, dann aber eben mit weit
größerem Treibstoffbedarf.

Mfg. Günter Dantrimont




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