Re: Wie wirklich ist die Wirklichkeit ??
Geschrieben von Der Wirkliche am 07. Mai 2001 21:43:05:
Als Antwort auf: Wie wirklich ist die Wirklichkeit ?? geschrieben von ea am 04. Mai 2001 10:50:33:
>
>Wie wirklich ist die Wiklichkeit ?
>Dumme Frage werden manche sagen. Wenn ich einen Stein in der Hand halte ist das wirklich, schliesslich kann ich ihn fühlen, sein Gewicht, seine Temperatur fühlen. Das ist wirklich!
>Wirklich?Ja, denn wirklich ist das, was wirkt, und auf mich wirkt eben dieser Stein, weil ich ihn wahrnehme, ihn fuehle, sein Gewicht, seine Temperatur.
Andere Dinge wirken moeglicherweise nur indirekt auf mich, z.B. wirkt der Strom auf mich normalerweise nur dadurch, dass er die Gluehbirnen leuchten laesst, und den Computer funktionieren laesst etc. - der Strom kann zwar im Prinzip auch direkt auf mich wirken, aber das versuche ich zu vermeiden ;-)>Woher wissen wir, dass da ein Stein ist? Nun, er drückt auf unsere Hand, die Drucknerven werden gereizt und senden ein Signal zum Gehirn. Oder wir sehen den Stein, Lichtwellen treffen die Retina des Auges und senden ein Signal zum Gehirn.
Dann kannst Du natuerlich auch sagen: Woher wissen wir, dass der Stein unsere Druck-Sinnesorgane reizt, und deshalb Nervenimpule zum Gehirm geschickt werden, und dass es diese Nervenimpulse sind, die uns den Stein wahrnehmen lassen?
Zunaechst ist es die Wahrnehmung des Steins selbst, die unser Bewusstsein erreicht. Dass diese Wahrnehmung ueber Nervenimpulse laeuft, ist erst eine mittelbare Erkenntnis, die auf der unmittelbaren Erkenntnis des Schauens durch Mikroskope, des Schauens auf Messgeraete, und vielleicht auch durch auf Nervenstimulation ausgeloeste direkte Empfindungen gefunden wurde.Das heisst, wenn Du schon der direkten Wahrnehmung misstraust, dann musst Du genauso der Annahme misstrauen, dass diese durch Nervenimpulse uebertragen wird.
Allerdings ist die Wirklichkeit (inklusive der Uebertragung der Information durch Nervenimpulse) ziemlich verlaesslich - bisher habe ich jedenfalls kein Problem mit dieser Hypothese feststellen koennen :-)
>Immer sind es also nur SIGNALE (Nervenreize) die im Gehirn ankommen. Signale sind entweder chemische Botenstoffe oder eletrische Spannungsänderungen.
Wenn man es reduzieren will, dann muss man sagen: "Immer sind es irgendwelche Wahrnehmungen, die in unserem Bewusstsein ankommen." Denn elektrische und chemische Signale sind ja selbst ein Teil dieser Aussenwelt, um deren Wirklichkeit es ja gerade geht.
>Etwas anderes kennt das Gehirn nicht.
>Und aus diesen Signalen baut das Gehirn? (oder etwas anderes?) die Welt auf die wir erleben.
>Ausserhalb unseres Bewusstseins gibt es die Farbe rot nicht. Ausserhalb existiert nur eine elektromagnetische Welle einer bestimmten Frequenz.Oder eine Mischung verschiedener Frequenzen.
>Ausserhalb des Bewusstseins gibt es keine Töne, nur Schallwellen bestimmter Wellenlänge, und DAS sind keine Töne !
>Wir können also feststellen, dass es da ausserhalb unseres Bewusstseins eine Welt geben muss, die uns Signale schickt und wir bauen daraus unsere Welt, unser Erleben auf.Nun, wir koennen nicht wirklich feststellen, dass "da draussen" eine Welt ist. Alles, was wir feststellen koennen, ist, dass es Bereiche der Welt gibt, die nicht unmittelbar unserem Willen unterliegen; diese Bereiche pflegen wir "da draussen" zu nennen.
Dass dieses "da draussen" tatsaechlich unabhaengig von uns existiert, ist letztlich eine Annahme (wenngleich m.E. eine sehr vernuenftige). Beweisbar ist es nicht; allerdings ist der doch recht deutliche Unterschied zu unseren Traeumen m.E. ein klares Indiz fuer die Unabhaengigkeit der Wirklichkeit.>Die Erziehung, die Umgebeung spielt dabei eine grosse Rolle indem sie kleinen Kindern zeigt worauf sie achten sollen und wie das alles zu interpretieren ist, was sie erleben.
Die wichtigsten Grundbegriffe sind schon von der Evolution im Gehirn vorgepraegt. Auch durch noch so grosses Bemuehen wird man es schwerlich schaffen, einem Kind einen anderen Raumbegriff zu geben (man kann hoechsten die Entwicklung eines Raumbegriffs voellig verhindern, indem man dem Kind keinerlei Raumwahrnehmung gestattet - was allerdings vermutlich noch wesentlich schwerwiegendere Folgen haette...)
>Der griechische Philosoph Plato beschreibt das in seinem Höhlengleichniss etwa so:
>Stellen wir uns vor, dass Menschen in einer Höhle leben aus der sie nicht herauskommen können, da sie so gefesselt sind, dass sie mit dem Rücken zum Eingang sitzen und sich nicht umdrehen können
>Vor dem Eingang brennt ein Feuer und zwischen Eingang und Feuer gehen andere freie Menschen hin und her. Die Menschen in der Höhle sehen nur die Schatten der wirklichen Dinge, die auf die Rückseite der Höhle fallen. Alles was sie wissen sind diese Schatten.
>Dies ist wohl unsere Situation, da wir nur die Dinge wahrnehmen können für die unsere Sinnesorgane empfänglich sind.
>Und wie die Menschen in der Höhle zu einer völlig falschen Einschätzung der Wirklichkeit kommen werden, so ergeht es auch uns.Woraus schliesst Du, dass die Menschen in der Hoehle unbedingt zu einer falschen Einschaetzung der Wirklichkeit kommen *muessen*?
Allerdings geht es uns wesentlich besser als den "Platonischen Hoehlenmenschen": Wir koennen nicht nur die Welt beobachten, wir koennen auch eingreifen. In der vergangenen Evolution sind alle Bilder ausgestorben, die der Wirklichkeit nicht zumindest insoweit entsprachen, dass die Affen nicht von den Baeumen gefallen sind, und die Urmenschen nicht ihre Beutetiere verfehlt haben, oder auch im Bestreben, vor einem wilden Tier zu fliehen, geradewegs auf es zu gelaufen ist.
Insofern darf man mit gutem Recht annehmen, dass unsere eingebauten Theorien im direkt der Erfahrung zugaenglichen Bereich, sowie in dem Teil des darueber hinausgehenden Bereichs, der fuer das unmittelbare Ueberleben notwendig war, sehr gut passen.Allerdings ist es in der Tat so, dass unsere eingebauten Theorien (aka "gesunder Menschenverstand") *nicht* mehr zuverlaessig sind, wenn wir diesen Bereich verlassen.
Nun kommen wir wieder zur Tatsache, dass wir - im Gegensatz zu Platos Hoehlenmenschen - nicht nur aufs reine Beobachten angewiesen sind, sondern aktive Teilnehmer in der Welt sind, die wir beobachten. Wir koennen naemlich Experimente machen, um unsere Hypothesen zu ueberpruefen (im
Hoehlenbild hiesse das: Wir haben z.B. Wasserpistolen, und wenn wir einen Schatten sehen, den wir fuer das Abbild eines Menschen halten, koennen wir mit der Wasserpistole auf ihn zielen, und sehen, ob er sich dann wirklich so verhaelt, wie es ein Mensch, der von einer Wasserpistole angespritzt wird, zu tun pflegt). Ausserdem koennen wir mit Hilfe von Messgeraeten unsere Sinneswahrnehmung erweitern (im Hoehlengleichnis: Neue Scheinwerfer aufstellen), und anhand der dadurch gefundenen neuen Schatten unsere Hypothesen ueberpruefen, sowie mehr ueber die Vorgaenge erfahren.
Genau das ist es, was die Physik tut. Sie stellt Hypothesen ueber die Welt da draussen auf, und sie ueberprueft sie mit neuen Experimenten (Wasserpistolen) und neuen Messungen (Scheinwerfern). Und dabei hat sich herausgestellt, dass unser angeborenes Modell eben nicht vollstaendige Gueltigkeit hat, sondern im Bereich des ganz Grossen (->Allgemeine Relativitaetstheorie) wie des ganz Kleinen (->Quantenmechanik) versagt. Zum Glueck hat uns die Natur auch mit einem Verstand gesegnet, der (wenngleich nicht dafuer gemacht) ausreicht, um bessere Modelle fuer die Welt zu erfinden, wenngleich wir uns dabei den Nachteil einhandeln, dass wir sie nicht mehr intuitiv verstehen, weil unser Gehirn eben auf das "evolutive Standardmodell" programmiert ist.Dummerweise gibt es immer Menschen, die nicht einsehen wollen, dass der "gesunde Menschenverstand" nicht unbedingt das Mass aller Dinge sein muss, und alles, was dem gesunden Menschenverstand (nicht der Logik - das ist ein oft uebersehener Unterschied) widerspricht, deshalb automatisch als falsch ansehen.
Zumal der gesunde Menschenverstand in einem gewissen Mass "trainierbar" ist, und einem dann teilweise ganz ander Dinge sagt als vorher.
>Wie wirklich ist also die Wirklichkeit ?
Sie ist wirklich, weil sie wirklich wirkt.
(Dieser Satz ist wirklich zweideutig ;-))